Grimme-Preise 2018: Starke Dokus, tolle Recherchen

»Ein Rekordjahr«, schreibt das Marler Grimme-Institut, sei dieses 2018. »So viele Preisträger wie noch nie« habe es gegeben. Für »höher, schneller und weiter« waren die Grimme-Preise bisher nicht bekannt, wohl aber für »besser«. Bei den dokumentarischen Formaten in der Sparte »Information & Kultur« haben die JurorInnen fünf Produktionen und ein Redaktionsteam für preiswürdig erachtet. Die Preise gibt es aber erst am 13. April im Theater der Stadt Marl. Wir stellen die dokumentarischen Preisträger vor.

Ein Preis für »besondere journalistische Leistung«

Mit dem Preis für die »Besondere Journalistische Leistung« in der Kategorie „Information & Kultur“ werden, stellvertretend für das gesamte AutorInnenteam, die drei Redaktionsleiter von »Panorama«, »Panorama 3« und »Panorama – Die Reporter« (NDR) Volker Steinhoff, Sven Lohmann und Dietmar Schiffermüller für ihre Berichterstattung zu den Ereignissen des G20-Gipfels geehrt. »Ihnen allen ist über Monate hinweg eine investigative Berichterstattung gelungen, die vorbildhaft ist für einen nicht nur informativen, sondern auch ausgewogen urteilsbildenden Journalismus, der eben keine vorgefertigten Meinungen über den Bildschirm verbreitet« so die Begründung der Jury.

Alles gut – Ankommen in Deutschland (NDR/SWR)

Ein Grimme-Preis geht an Pia Lenz für »Alles gut – Ankommen in Deutschland« (NDR/SWR), die auch zum AutorInnenteam von »Panorama« gehört und sich somit doppelt freuen kann.

Ab 18! Du warst mein Leben (ZDF/3sat)

Nachdem die Doku-Reihe »Ab 18!« (ZDF/3sat) bereits mehrfach nominiert war, erhält Rosa Hannah Ziegler nun für den Einzelfilm »Ab 18! Du warst mein Leben« (ZDF/3sat) einen Grimme-Preis.

Szene aus »Sewol – Die gelbe Zeit« © BR, HFF München Szene aus »Sewol – Die gelbe Zeit« © BR, HFF München

 
 

Szene aus »Sewol – Die gelbe Zeit« © BR, HFF München

Sewol – Die gelbe Zeit (BR)

Mit der Auszeichnung der Produktionen »Sewol – Die gelbe Zeit« (BR) würdigt die Jury einen Abschlussfilm junger FilmemacherInnen. Es vergeht keine Sekunde in Minsu Parks Dokumentarfilm »Sewol – Die gelbe Zeit«, die nicht schmerzt.77 lange, qualvolle Minuten über den Tod von 304 Menschen – die meisten von ihnen Schulkinder auf einer lange erwarteten Schulreise – die beim Untergang der Fähre Sewol vor Südkorea im April 2014 ums Leben kamen. Ein Dokument des Unbegreiflichen, für das es dennoch Ursachen und Schuldige gibt. Über diese Situation hat Minsu Park seinen Abschlussfilm an der HFF München gemacht, für den er nicht nur die Kamera übernahm, sondern auch die Regie. Er begleitet eine Reihe von Hinterbliebenen und dokumentiert die schwere Trauerarbeit. Dabei fängt er Momente ein, die man sich intensiver kaum vorstellen kann. Wieso warteten die Ertrunkenen in ihren roten Schwimmwesten bis es wortwörtlich zu spät war? Wieso scherzten und feixten sie noch, als das sinkende Schiff bereits gefährliche Schräglage hatte? Wieso gab es diese tödliche Anordnung, unter Deck zu bleiben, während sich die Besatzung –
Er »wolle den Opfern eine Stimme geben« lässt der in München lebende Filmemacher wissen. Es ist auch die Darstellung eines nationalen Traumas. Die »gelbe Zeit« wird wohl noch lange dauern.

Cahier Africain (ZDF/3sat)

Für »Cahier Africain« (ZDF/3sat) erhält Heidi Specogna, ihren zweiten, Johann Feindt seinen dritten Grimme-Preis. Beharrlichkeit in der Recherche und das oft über Jahre hinweg – das zeichnete die Schweizer Filmemacherin Heidi Specogna schon bei früheren Filmprojekten wie »Das Schiff des Torjägers« aus. In »Cahier africain« (noch bis zum 9. Dezember in der Mediathek von 3sat) beweist sie erneut, wie sie aus einem zunächst unscheinbaren Fund einen der wichtigsten Dokumentarfilme der letzten Jahre formen kann. Das Grauen zeigt sich hier auf den Linien eines Schulheftes.

Den Titel trägt der Film wegen eines Notizbuches. Auf seinen karierten Seiten sind die Schicksale von (zumeist) Frauen in Zentralafrika niedergeschrieben. Das Land wird seit Jahren von Krieg und damit einhergehenden Kriegsverbrechen an der zivilen Bevölkerung zerrüttet. Über dieses Thema hatte Heidi Specogna bereits den Film »Carte blanche« gemacht, in dem es um die Anklage gegen den kongolesischen Truppenführer Jean-Pierre Joseph Bemba vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag ging. Im Rahmen dieser Recherchen wurde Specogna auch das unscheinbare Schulheft gewahr. In ihm schlummerte die Geschichte von »Cahier africain«. Die Idee: beispielhaft an einigen Frauen die an ihnen verübten Verbrechen zu dokumentieren.