Im Gespräch: Der Filmemacher Eric Friedler

Mit besonderer Freude präsentiert Dokville 2018 am 29. Juni 2018, dem zweiten Tag des diesjährigen Branchentreffs, mit Eric Friedler einen der wichtigsten deutschen Dokumentarfilmer. Das Gespräch im Kino Metropol (Stuttgart) führt Manfred Hattendorf, Vorstandsvorsitzender des Hauses des Dokumentarfilms und Leiter der Abteilung Fernsehfilm im Südwestrundfunk. Eric Friedlers Dokumentarfilm »Eskimon Limon: Eis am Stiel – Von Siegern und Verlieren« wird auch im parallel stattfindenden SWR Doku Festival gezeigt.

Eric Friedler passt in keine Schublade. Mit jedem neuen Film überrascht und provoziert der Regisseur. Seine Filme sind im Fernsehen und im Kino zu sehen. Friedler leitet seit 2011 die Abteilung für Dokumentarfilm, Dokudrama und Sonderprojekte im NDR. Überraschend für sein Publikum ist die Wahl seiner Themen und die Gestaltung seiner Filme. Vom großen historischen Film »Aghet« über den Völkermord an den Armeniern im Jahr 1915 über ein Porträt der Toten Hosen bis zum letzten Interview mit Jerry Lewis über dessen unvollendeten Holocaust-Film »The Day the Clown Cried« reicht Friedlers Spektrum (»The Clown«). 2018 der neue Coup: In »Eskimo Limon: Eis am Stiel – Von Siegern und Verlierern« widmet sich Friedler den Schauspielern und Machern der Softsexreihe »Eis am Stiel«, die 1978 ihren Welterfolg gerade auch im deutschen Kino begründete. Ein völlig unerwarteter, provokanter Beitrag zur aktuellen »Metoo-Debatte« ist dieser Dokumentarfilm, den Friedler auch im SWR Doku Festival vorstellt.

Friedlers Filme wollen unterhalten, unterdrückte gesellschaftliche Diskussionen auslösen, den Blick auf den blinden Fleck richten. Die Haltung, mit der Friedler seine Dokumentarfilme und Dokudramen erzählt, ist eine eminent politische. Mit seinem Klassiker »Das Schweigen der Quandts« hat Friedler 2007 den öffentlichen Druck auf eines der reichsten Familienimperien Deutschlands so massiv erhöht, dass die BMW-Erben ihr jahrzehntelanges Schweigen nicht mehr länger fortsetzen konnten. Was Dokumentarfilme bewirken können und wie Friedler die Grenzen des Dokumentarfilms im Lauf der Jahre konsequent gestalterisch erweitert hat, das werden wichtige Themen im Dokville-Gespräch sein. Zentral dabei: Wie findet der Filmemacher und Redakteur Eric Friedler seine Geschichten? Welchen Einfluss hatten seine Auslandsjahre in den USA? Wie wichtig war Friedlers Zeit als Redakteur und Reporter beim SWR-Politmagazin »Report aus Baden-Baden« für die vielen großen und kleinen Filme der letzten zwölf Jahre, die schon jetzt Teil der Fernsehgeschichte geworden sind?

Sein Ausflug in die Welt der Fiktion als Redakteur beim NDR-»Tatort« mit Mehmet Kurtulus und andere prämierte Kinofilme blieb ebenfalls nicht folgenlos. Spätestens seit »Aghet« arbeitet Friedler (immer häufiger) mit Schauspielern – und kehrt doch zugleich immer wieder an die Anfänge jeder guten Geschichte zurück – egal ob fiktional oder nonfiktional zurück zur Recherche.

Wenn man Filme wie »The Voice of Peace« und »Der Clown« sieht, kann man nur erahnen, wie aufwändig die Recherchen von der ersten Idee bis zum fertigen Film sein mögen. Mit Überraschung und Provokation ist das Universum der Filme von Eric Friedler aber nicht ausreichend beschrieben. Filme wie »The Voice of Peace« oder »Das Mädchen – Was geschah mit Elisabeth K.?« machen deutlich, was im Zentrum aller Filme von Eric Friedler steht: Menschen mit einer ganz besonderen Lebensgeschichte, Menschen deren Geschichten Friedler um (fast) jeden Preis mit unterschiedlichsten filmischen Mitteln einem breiten Publikum erzählen möchte. Diese Menschen stehen nicht für etwas anderes, sie sind selbst die Geschichte. Weil sie schier Unmögliches erreicht haben oder weil ihn unfassbares Leid widerfahren ist.

Wie der israelische Radiopirat und Friedensvisionär Abie Nathan und die deutsche Studentin Elisabeth Käsemann. Nathan war zum Zeitpunkt, als Friedler über ihn zu recherchieren begann, be- reits tot. Elisabeth Käsemann wurde 1977 in der argentinischen Militär- diktatur ermordet. Was Friedler nicht davon abhielt, die Verstorbenen zu porträtieren. Friedler setzt ihnen filmisch ein Denkmal, ohne sie auf einen Sockel zu heben. Denn seine Protagonisten sind häufig Träumer, die dabei gescheitert sind, ihren Traum zu leben.

Andere Gescheiterte hat Friedler in ihrem Exil aufgespürt – wie Margot Honecker, die Friedler für »Der Sturz« das erste Fernsehinterview nach 20 Jahren gegeben hat.

Das Dokville-Gespräch möchte mehr über Friedlers Erzählstrategien erfahren und darüber, wie es ihm gelingt, persönliche und politische Geschichte filmisch untrennbar miteinander zu verbinden. Dass Friedler wirklich in keine Schublade passt, zeigt sein neuestes Filmprojekt: Es erzählt die Geschichte des renommierten amerikanischen Jazzlabels Blue Note Records, mit keinem geringeren als Wim Wenders als Executive Producer. »It Must Schwing – The Blue Note Story« kommt im Herbst 2018 in die deutschen Kinos. Ein Musikdokumentarfilm! Man kann gespannt sein, ob es dabei bleibt.

(Manfred Hattendorf)