»Was kostet die Welt«

Durch einen Zeitungsartikel wurde die Regisseurin Bettina Borgfeld („Raising Resistance“ 2011) auf die Insel Sark aufmerksam, die im Ärmelkanal liegt. Sie war Europas letzter Feudalstaat im britischen Kronbesitz bis vor zehn Jahren die ersten demokratischen Wahlen stattfanden. Das Leben der rund 600 Bewohner war einfach und beruhte mehr auf gegenseitigem Vertrauen als auf Gesetzesvorgaben. Man kann von paradiesischen Zuständen sprechen, denn das Zusammenleben war durch Harmonie und gegenseitige Achtung geprägt.

Doch nur bis zu dem Zeitpunkt, als zwei britische Milliardäre begannen das Land aufzukaufen, Weinfelder anlegten. Sie erwarben vier der sechs Hotels und modernisierten sie für Millionen in Luxusressorts mit Ritzstandard. Sie überzogen die Bewohner der Insel mit teuren Prozessen vor verchiedenen Gerichten bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Sie klagten gegen das feudale System auf der Insel, das angeblich gegen Menschenrecht verstoße. Dort konnten sie sich durchsetzen mit ihren Profitinteressen gegen die Existenzberechtigung der Anwohner. Schon dass ist ein Skandal.

Dagegen wehren sich viele der Anwohner, haben jedoch kaum eine Chance gegen die kaufkräftigen Investoren. Immer mehr werden schwach und verkaufen ihre Grundstücke und Häuser, die sich oft in Jahrhunderte altem Familienbesitz befunden hatten. Die Regel, dass jeder Anwohner höchstens zwei Grundstücke besitzen darf, wird schnell unterwandert. Kritiker und Journalisten werden auf die brutalste Weise eingeschüchtert und in einem ‚Newsletter‘ öffentlich bloßgestellt. Den Milliardären – und ihrem Manager auf der Insel – gelingt es im Laufe der Jahre eine Atmosphäre des gegenseitigen Misstrauens und Angst zu schaffen. Selbst private Beziehungen in der Familie leiden darunter, wie der Film am Beispiel einer Protagonistin sehr deutlich zeigt. Die Ausgangslage ist jedoch so komplex, dass der Film droht, sich in den Details zu verlieren. Als ein Manko bezeichnet es Bettina Borgfeld selbst, dass es ihr trotz mehrerer Anläufe nicht gelungen ist, den Manager der Investoren selbst vor die Kamera zu bekommen, um beide Seiten zu Wort kommen zu lassen. Nur ein Handwerker, der für die Investoren arbeitet, lobt sie für ihr Engagement auf der Insel Sark. Produziert hat den Film Thomas Tielsch von Filmtank, der damit einmal mehr Gespür für politische Themen beweist.

Die Hotelpläne werden bald aufgegeben, da die Reichen und Superreichen ihren Urlaub gar nicht in Sark verbringen wollen. Die Hotels werden bald geschlossen. Dafür investieren sie in die Grundstücke, um von den günstigen Steuern auf der Insel zu profitieren. Die beiden Milliardäre besitzen bis jetzt fast ein Drittel der gesamten Landfläche und scheuen keine Kosten und Mühen um ihre Interessen durchzusetzen.

Vor idyllischer Kulisse entfaltet sich ein erbitterter Kampf um Demokratie, Meinungs- und Pressefreiheit sowie die Auslegung der Rechtslage. So wirft der Film fundamentale, aktuelle Fragen auf nach sozialer Verantwortung, den Schlupflöchern der Finanzindustrie und den Herausforderungen, vor denen diejenigen stehen, die diesen Strategien auf die Spur kommen oder sich ihnen widersetzen wollen. Letztlich scheint sich zu bestätigen, dass Geld die Welt regiert. Von daher wird es auch spannend, wie die beiden Milliardäre auf diesen Dokumentarfilm reagieren werden. Es ist zu befürchten, dass sie gegen ihn gerichtlich vorgehen werden, obwohl sie selbst die Angebote für die Erläuterung ihrer Perspektive ausgeschlagen hatten.