TV- & Mediatheken-Tipps – Flucht und Vertreibung

Im August 2021 werden die letzten Truppen aus Afghanistan abgezogen, die Taliban ergreifen die Macht und viele Menschen fliehen. Die Redaktion vom Haus des Dokumentarfilms empfiehlt anlässlich des Jahrestags ausgewählte Dokus, die auf Ursachen und Folgen von Flucht blicken.

Triggerwarnung
In diesem Artikel geht es um geflüchtete Personen, Krieg und Gewalt. Der Text enthält Beispiele, die bei manchen Menschen negative Reaktionen auslösen können. Solltest du selbst betroffen sein, bekommst du u. a. beim Opfer-Telefon des WEISSEN RINGS unter der Telefonnummer 08000 116 006 oder unter www.hilfetelefon.de anonyme und kostenfreie Hilfsangebote.

Flucht und das Leben danach

Wie das Leben aussehen kann, nachdem man aus dem Heimatland geflohen ist, stellt der Dokumentarfilm „Nasim“ dar. Die 38-jährige gleichnamige Protagonistin ist mit ihrer Familie aus Afghanistan geflohen und im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos gestrandet.
Die Doku „Inner Lines“ erzählt von unkontrollierten Ausweichrouten, um den Berg Ararat in der Türkei und Armenien, die es Menschen ermöglichen zu fliehen.

05.09. um 0:50 Uhr, ZDF: „Nasim“ (Free-TV-Premiere)

Nasim Geflüchtete aus AfghanistanOle Jacobs und Arne Büttners Werk zeigt die Geschichte der gebürtigen Afghanin Nasim. Im Jahr 2020 fliehen sie und ihre Familie aus Afghanistan über den Iran und die Türkei nach Griechenland. Seitdem wohnen sie im Flüchtlingslager Moria. Nach dem Corona-Ausbruch richten sie sich mit ihrem Mann und den beiden Kindern provisorisch dort ein, bis ein Brand im September 2020 das Lager großflächig zerstört. Die Familie ist obdachlos und erfährt Polizeigewalt. Doch Nasim kämpft weiter für ein besseres Leben: Sie demonstriert zusammen mit anderen Frauen für Freiheit und Menschenrechte.

Beim 64. Internationalen Leipziger Festival für Dokumentarfilm und Animationsfilm wurde der Film mit dem DEFA Förderpreis und dem „ver.di-Preis für Solidarität, Menschlichkeit und Fairness“ ausgezeichnet.

Verfügbar in der ZDF-Mediathek ab dem 26.08.2022 bis zum 09.09.2022.

26.09. um 23:45 Uhr, Arte: „Inner Lines“

„Inner Lines“, so werden Ausweichrouten nahe feindlicher Linien in der Militärsprache genannt. Sie werden nicht kontrolliert, weshalb sie es Menschen ermöglichen zu fliehen. Kuriere und deren Brieftauben nutzen diese Parallelwege rund um den Berg Ararat, um mit Gemeinschaften in Kriegsregionen in Kontakt zu bleiben. Die Kuriere streifen umher und begegnen dabei Jesiden, die vor dem Islamischen Staat geflohen sind und in türkischen Durchgangslagern aufgenommen wurden. Sie treffen auch auf Zeitzeug:innen des Völkermords an Armenier:innen. Bei der Durchquerung der vom Krieg zerstörten Region Bergkarabach stoßen sie auf Geflüchtete, deren Existenzen zerstört sind. Sie berichten vom Kampf um ihr Leben und erzählen vor allem von der Gewalt, die sich Menschen gegenseitig zufügen.

Verfügbar in der Arte Mediathek ab dem 19.09.2022 bis zum 24.11.2022.

1 Jahr Taliban-Herrschaft – Afghanistans Zivilbevölkerung ausgeliefert

Der 15. August 2021 ist ein einschneidendes Erlebnis für Afghanistan. Der endgültige Abzug internationaler Truppen besiegelt den Kollaps des herrschenden Regimes. Die Taliban übernehmen erneut die Macht im Land. Die Dokumentationen und Dokumentarfilme illustrieren die Zustände kurz nach dem Truppenabzug.

27.9.

20:15 Uhr, Arte: „Kabul Airport – Flucht aus Afghanistan“ (Erstausstrahlung)

20 Jahre lang kämpfen die USA gegen die Taliban, bis sie ihre Truppen 2021 aus Afghanistan abziehen. Was folgt ist ein historischer Machtwechsel: Die Taliban reißen die Macht im Land erneut an sich. Das Leben ist fortan wieder von Angst und Schrecken geprägt und die Bevölkerung hat nur ein Ziel: so schnell wie möglich weg von hier. Während die Taliban die Macht übernehmen, hetzen afghanische Ortshelfer und internationale Mitarbeiter:innen zum Flughafen in Kabul. Dort versuchen westliche Alliierte Menschen zu evakuieren. Der Dokumentarfilm „Kabul Airport – Flucht aus Afghanistan“ veranschaulicht die riskanten Versuche dem Land und Regime zu entkommen. Dabei fragt er unter anderem danach, ob das mehrtägige Drama am Flughafen hätte verhindert werden können und wie der längste Krieg der USA innerhalb eines so kurzen Zeitraums verloren werden konnte.

Verfügbar in der Arte Mediathek ab dem 20.09.2022 bis zum 25.03.2023.

Verschleierte Frauen in Kabul bei einer Demonstration
Verschleierte Taliban-Frauen demonstrieren vor der Universität Kabul. Sie unterstützen das Frau- enbild der Taliban und rufen andere Frauen zur „Einsicht“ auf. © Pedro Brito Da Fonseca/Hans Lucas/13-Productions

21:30 Uhr, Arte: „Das Gesetz der Taliban“ (Erstausstrahlung)

Im Spätsommer 2021 fällt Afghanistan in den Zustand zurück, der mit den Anschlägen des 11. September 2001 seinen vorläufigen „Höhepunkt“ hatte und in den von George W. Bush ausgerufenen „Krieg gegen den Terrorismus“ mündete. Die Taliban sehen sich als „Sieger“ über die Großmacht USA und sind um die Wiederherstellung des „Islamischen Emirats Afghanistan“ und der Einführung der „echten Scharia“ bemüht. Die wenigen Protestbewegungen, die es gibt, werden unterdrückt, Repressalien unmittelbar ausgeübt. Vom Westen alleingelassen, ist die Zivilgesellschaft Afghanistans den neuen Verhältnissen hilflos ausgeliefert. Der 20 Jahre andauernde Kampf und die damit verbundenen Anstrengungen sind mit einem Schlag zunichtegemacht. Die Doku fragt: Was wollen die Taliban für ihr Land?

Verfügbar in der Arte Mediathek ab dem 20.09.2022 bis zum 24.01.2023.

Mediatheken-Tipp

3sat Mediathek „Mission impossible in Kabul – Rettet die Musikerinnen!“

Die Dokumentation erzählt von der nahezu unmöglichen Mission, Musikerinnen des Zohra-Orchesters (das einzig weibliche Musikensemble Afghanistans) außer Landes zu schaffen – denn für die Taliban gilt Musik als eine Verhöhnung des Islams. Es ist ein Mann, der alles dafür tut, nicht nur das Orchester, sondern auch die dazugehörige Musikschule zu retten. „Mission impossible in Kabul – Rettet die Musikerinnen!“ dokumentiert die riskante Operation.

Verfügbar in der 3sat Mediathek ab dem 18.08.2022 bis zum 18.09.2022.

ARD Mediathek „Der Fall von Kabul – Chronik eines Desasters“

Der afghanische Staat bricht im August vergangenen Jahres innerhalb kürzester Zeit zusammen, nachdem er zwei Jahrzehnte lang vom Westen gesichert wurde. Die Taliban marschieren noch vor dem letzten US-Truppenabzug ein und versetzen die Zivilgesellschaft in Angst und Schrecken. Der Film erzählt vom dramatischen Ende des Staates und von Menschen, die dieses Ereignis hautnah miterleben mussten.

Verfügbar in der ARD Mediathek ab dem 15.08.2022 bis zum 15.08.2023.

Vom Umgang mit Flucht

Die nachfolgenden Dokus erweitern den Blick auf die Vertreibungsthematik. Neben Aktivismus gegen unterdrückende Regime, vor denen Menschen fliehen müssen, spielen auch Völkerwanderungen und Massenflucht aufgrund von Krieg eine Rolle. So stellt beispielsweise Werner Herzog in „Flucht aus Laos“ die Geschichte des deutschen Piloten Dieter Dengler, der im Vietnamkrieg in Gefangenschaft geriet, dar.

05.09. um 22:45 Uhr, Arte: „Flucht aus Laos“

Pilot Dieter DenglerIn „Flucht aus Laos“ erzählt Werner Herzog die Lebensgeschichte des Piloten Dieter Dengler. Dengler absolvierte seine Ausbildung zum Piloten bei der US Air Force. Kurz danach wird er im Vietnamkrieg eingesetzt. Sein Flugzeug wird über Laos abgeschossen und er wird von der Widerstandsbewegung Pathet Lao gefasst. In Gefangenschaft werden Dengler und weitere US-Soldaten gefoltert. Schließlich entkommt er und schafft es in den Dschungel: ein US-amerikanischer Flieger sichtet ihn, ehe er mit einem Hubschrauber gerettet werden kann. Filmemacher Werner Herzog lässt in seiner dokumentarischen Erzählung dem ehemaligen Piloten Dengler den nötigen Raum, um frei von seinen traumatischen Erlebnissen zu erzählen. Der Regisseur begleitet den Protagonisten an bedeutsame Orte seiner Biografie, beispielsweise in seine Heimat im Schwarzwald.

Verfügbat in der Arte Mediathek ab dem 04.09.2022 bis zum 04.10.2022.

ARD„Mit wehenden Haaren gegen die Mullahs“

Frauen protestieren gegen MullahsMasih Alinejad ist Journalistin und Aktivistin. Die im Exil lebende Frau protestiert zusammen mit Millionen Iranerinnen in den Sozialen Medien gegen den Hidschab-Zwang, Unterdrückung und radikale Islamisten im Iran. Iranische Frauen senden ihr regelmäßig Handyvideos, die oftmals gewalttätige Reaktionen von Männern zeigen. Alinejad veröffentlicht die Aufnahmen, um darauf aufmerksam zu machen. Sie fungiert mittlerweile als Sprachrohr der Opfer des iranischen Regimes. In ihrem Film setzt sich die iranisch-stämmige, in Schweden lebende Regisseurin Nahid Persson mit der Politik Irans und deren Auswirkungen auseinander.

+++ Triggerwarnung: Der Dokumentarfilm zeigt Videobotschaften, die die Frauen aus dem Iran der Aktivistin Masih Alinejad schicken. Diese Videos sind Zeugnisse brutaler Staatsgewalt gegen Demonstrant:innen.

Verfügbar in der ARD Mediathek ab dem 17.08.2022 bis zum 15.11.2022.

ZDF Mediathek „Auf der Flucht – Geschichten von Hoffnung und Verzweiflung“

Völkerwanderungen, wie freiwillige oder unfreiwillige Auswanderungen aufgrund von Kriegen, prägen das vergangene und aktuelle Zeitgeschehen. Vor 75 Jahren trafen Zwangsumsiedlung als Folge des Zweiten Weltkriegs mehr als zwölf Millionen Deutsche. Doch rund ein Sechstel überlebte dieses Los nicht.
Im Film „Auf der Flucht – Geschichten von Hoffnung und Verzweiflung“ trifft Sulaiman Tadmory auf Fluchtbetroffene nach dem Zweiten Weltkrieg, aus der DDR sowie der Ukraine. Er selbst erlebte die Hölle des Krieges in Syrien mit. Tadmory konnte über den Balkan fliehen und lebt nun in seiner neuen Heimat Deutschland. Er spricht nicht nur mit Fachleuten und Zeitzeugen, sondern reist zu historischen Orten. Er spürt der Frage nach, welche Konsequenzen die Erfahrung von Heimatverlust und Neuanfang in Deutschland hinterlassen haben.
Dabei geht es weniger darum Unvergleichbares gleichzumachen, als darum gemeinsame Erfahrungen und Geschichten neugierig und aus einer anderen Perspektive zu betrachten.

Verfügbar in der ARD Mediathek ab dem 07.05.2022 bis zum 29.04.2027.

4-teilige Doku-Serie: „Mission Kabul-Luftbrücke”Afghanistan im Jahr 2022

Die Kabul-Luftbrücke ist eine in Berlin ansässige NGO. Die NGO-Akteur:innen evakuieren Ortskräfte, Menschenrechtler:innen und Medienschaffende, deren Leben bedroht sind, aus Afghanistan. In der Serie wird dokumentiert wie Betroffenen die Ausreise gelingt, wie Kinder auf ein Wiedersehen mit ihren Eltern hoffen, die bei der Flucht getrennt wurden, oder wie Frauen sich gegen die Taliban-Herrschaft auflehnen. Dabei schildern die Filme den neuen afghanischen Alltag und zeigen die Anstrengungen der NGO sowie deren Konflikte mit den deutschen Behörden und der Bundesregierung.

Verfügbar in der ARD Mediathek bis zum 31.08./01.09.2023.