they shall not grow oldweb

»They shall not grow old«

Einen neuen Blick auf den Ersten Weltkrieg aus der Perspektive der Engländer wirft der Oscar-Preisträger Peter Jacksons (»Der Herr der Ringe«-Trilogie, »Der Hobbit«-Trilogie) in seinem außergewöhnlichen Dokumentarfilm »They Shall Not Grow Old«. Er nutzt vor allem historisches Filmmaterial, dass er jedoch aufwändig restauriert, digitalisiert, koloriert und sogar 3D-Effekte einbaut. Er verbindet die Bildebene und einem durchgehenden Kommentar mit historischen Tonaufnahmen und Zitaten aus historischen Quellen wie Briefen und Tagebüchern der Soldaten. Gerade als fanatischer Sammler von Devotionalien aus dem Ersten Weltkrieg von Uniformen, Orden, Waffen bis zu Panzern und Granatwerfern bemüht Jackson sich um möglichst hohe Authentizität. Doch die Farbgebung ist nicht realistisch, sondern in den typischen Sepia- und Pastelltönen, wie man es von den Postkarten und Fotos zum Ersten Weltkrieg kennt. Nichtsdestotrotz wird er von einigen Kritikern als filmisches Meisterwerk gelobt, dem es gelingt, die Geschichte des Ersten Weltkriegs aus der Sicht der Soldaten zu erzählen und einen Eindruck zu vermitteln, was sie damals erlebt und durchgestanden haben. 

Am 11. November 1918 endete der Erste Weltkrieg, der 17 Millionen Menschen das Leben kostete und den die Briten bis heute den »Great War« nennen. Es gibt viele historische Bildaufnahmen, die den Alltag der Soldaten in den Schützengräben an der Front dokumentieren – und es gibt Tonaufnahmen, die ihre Erinnerungen aufgezeichnet haben. Das alles ist historisches Material. Wobei vermeintliche Aufnahmen von Kämpfen nachweislich re-inszeniert wurden, da es für die Kameramänner mit ihrem schweren 35mm Kameras auf Stativ viel zu gefährlich gewesen wäre, aktuelle Kämpfe zu drehen. Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) begründete ihre Entscheidung für ein Prädikat Besonders Wertvoll: »Doch mit seinem neuesten Film THEY SHALL NOT GROW OLD holt Meisterregisseur eben jene Geschichte zurück aus der Vergangenheit. In einer nie dagewesenen technischen Bearbeitung – 3D-Digitalisierung, Colorierung, Vertonung mit Hilfe einer Lippenleserin – verknüpft Jackson das originale Bildmaterial mit den Interviews überlebender Frontsoldaten und vermittelt so mit größtmöglicher Nähe die Eindrücke der Zeitzeugen selbst. Durch die Fülle an Informationen erfährt man als Zuschauer vieles über die Euphorie der jungen Soldaten, die sich noch vor Erreichen der Volljährigkeit der Armee verschrieben. Man erlebt die Kameradschaft, die überlebenswichtig war und doch so schnell vorbei sein konnte. Man spürt die Ernüchterung, als der Krieg sich von einem romantisierten Mythos in lebensbedrohliche Realität verwandelte. All das vermittelt sich in schneller Schnittfolge, immer auch unterlegt von Kriegsliedern, von Granateneinschlägen, von Kanonenfeuer. Ungeschminkt und doch kunstvoll erschließt sich in THEY SHALL NOT GROW OLD die Überlebensrealität echter Zeitzeugen in einem expressionistischen Bild- und Klangteppich vor den Augen des Zuschauers. Ein Film, der viele erschütternde, bewegende und tief berührende Geschichten erzählt. Die alle Teil unserer Geschichte sind.«

Nach einem großen Erfolg in Großbritannien startet der Kompilationsfilm nun anlässlich des 100. Jahrestages der Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrages (28. Juni 1919) in deutschen Kinos in 2D- und 3D-Fassungen. Den Film gestaltetet Peter Jackson im Auftrag der BBC und er recherchierte hunderte Stunden Originalmaterial vom Ersten Weltkrieg aus den Archiven des britischen Imperial War Museum (IWM). Ungefähr 100 Stunden wurden von ihm mit modernster digitaler Technik digitalisiert, restauriert, koloriert und mithilfe von 3-D-Technologie konvertiert. Die Begleitkommentare stammen von Veteranen des Ersten Weltkriegs, ausgesucht aus über 600 Stunden Interviews aus den Archiven der BBC und des IWM. Bild und Ton schaffen gemeinsam eine packende Darstellung des Ersten Weltkriegs, erzählt von den Soldaten, die ihn erlebten. Jackson setzt die tagtäglichen Erlebnisse der Soldaten ins Bild und zeigt die Realität des Kriegs für diejenigen, die an der Front kämpften: ihre Haltung zum Konflikt, die Kameradschaft und das Bedürfnis nach Humor inmitten des Grauens, den Alltag in den Schützengräben und das Leben der Soldaten in Ruhephasen. Der Film »They Shall Not Grow Old« bietet auf jeden Fall etwas Neues und eine Alternative zu den üblichen Fernsehproduktionen, die Szenen re-inszenieren und viele Experten und zeitzeugen interviewen. Hier wird das historische Material zu neuem Leben erweckt und als Quelle für die Ereignisse des ersten Weltkriegs ernst genommen.

image_pdfAls PDF speichernimage_printDrucken
Picture of Kay Hoffmann
Dr. Kay Hoffmann war langjähriger Studienleiter Wissenschaft im HDF und Gesamtkoordinator des DFG-Projekts „Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland 1945-2005“. Zusätzlich ist er seit langem Kurator der DOK Premieren in Ludwigsburg.
Facebook
Twitter

Dies könnte Sie auch interessieren: