DOK.fest München @home – die Preisträger

Erstmals fand das DOK.fest München als Online-Festival @home statt. 18 Tage lang waren 121 Filme aus 42 Ländern zu sehen, davon 90 Welt- oder Deutschland-Premieren. Insgesamt wurden Preise in Höhe von 55.000 Euro verliehen, darunter der Pitch Award des HDF. 

Mehr als 75.000 Zuschauer*innen haben die Filme des DOK.fest München @home und die Veranstaltungen von DOK.forum und DOK.education online verfolgt. Noch bis zum vergangenen Wochenende konnten die Filme gestreamt werden. Die Victor genannten Hauptpreise sowie die weiteren Preise gewannen oft bewegende Familiengeschichten.

Victor im internationalen Wettbewerb für „Acasa, my Home“

Den vom BR mit 10.000 Euro dotierten Victor im internationalen Wettbewerb des 35. Internationalen Dokumentarfilmfestivals München gewann „Acasa, my Home“ von Radu Ciorniciuc. In der Jury dieses Wettbewerbs saßen Denise Bucher (NZZ-Kulturredakteurin, Präsidentin Schweizerischer Filmkritiker Verband), Ines Kaizik-Kratzmüller (PR- und Marketingberaterin, Schauspielerin) und Sudeep Sharma (Programmgestalter Sundance Filmfestival).

Sie begründeten ihre Entscheidung so: „Es ist die Geschichte einer Familie, die am Rande der Gesellschaft lebt. Der Film berührt Fragen der Gentrifizierung, des Umweltschutzes und der Stadtentwicklung, die für unsere heutige Zeit so relevant sind. Radu Ciorniciuc schafft eine filmische und journalistische Erzählung, die zeigt, wie das Leben auseinanderfallen kann, wenn wir die Verbindung zur Natur und zu uns selbst verlieren. Der Mikrokosmos der Roma-Familie steht dabei paradigmatisch für alle Krisen, die wir durchleben, und lässt so die globale Katastrophe erahnen“.

Victor DOK.deutsch für „Weiyena – Ein Heimatfilm“

Den mit 5.000 Euro dotierten Victor DOK.deutsch gewann „Weiyena – Ein Heimatfilm“ von Weina Zhao und Judith Benedikt. Hier saßen in der Jury Helle Hansen (Norwegisches Filminstitut), Kati Juurus (Dokfest DocPoint Helsinki) und Mads Mikkelsen (Dokfest Kopenhagen CPH:DOX).

Filmstill aus
Die in Wien aufgewachsene Filmemacherin Weina Zhao begibt sich in “Weiyena – ein Heimatfilm” auf Entdeckungsreise (© DOK.fest München)

Ihre Jurybegründung lautet: „Weina Zhao ist in Wien aufgewachsen. In ihrem vielversprechenden ersten Film begibt sie sich unter ihren Familienmitgliedern in China auf (Selbst-)Entdeckungsreise, um ihr eigenes Leben zwischen zwei Kulturen verstehen zu lernen. Doch was auf der persönlichen Ebene der Familiengeschichte beginnt, weitet sich bald zu einer breiteren Perspektive, wenn Eltern und Großeltern bisher unerzählte Geschichten aus der Vergangenheit während und nach der Kulturrevolution miteinander teilen. Bewegend, herzzerreißend, erschreckend, aber letztlich lebensbejahend: ‚Weiyena – Ein Heimatfilm‘ ist das zutiefst persönliche Debüt einer Filmemacherin, die dabei ist, nicht nur ihre eigene Geschichte zu entdecken, sondern auch die eigene Art, davon zu erzählen.“

Victor DOK.horizonte für „The call me Babu“

Mit dem Victor DOK.horizonte (5.000 Euro; Petra Kelly Stiftung) ausgezeichnet wurde „The call me Babu“ von Sandra Beerends. Der Preis wurde vergeben von Petra Seliškar (Makedox, Regisseurin und Produzentin), Eroll Bilibani (DokuLab, DokuFest Prizen) und Marc-André Schmachtel (Goethe-Institut).

Filmstill aus
Der Film erzählt auf liebevolle Weise die Geschichte eines Kindermädchens, Babu genannt, im ehemaligen Niederländisch-Ostindien der 1940er Jahre (© DOK.fest München)

In ihrer Jurybegründung heißt es: „Eine emotionale Zeitreise in die Vergangenheit enthüllt ungesehenes Filmmaterial über das koloniale Indonesien und die Schiffsreise nach Holland. Wir treffen ein Kindermädchen, Babu, dessen Liebe für die niederländische Familie und ihre Kinder alle drei Jurymitglieder verzaubert hat. Ein Film, der eine persönliche Geschichte mit dramatischen Ereignissen verbindet, in dem die Vergangenheit lebendig wird und uns auf einer zutiefst menschlichen Ebene anspricht. Die Sensibilität der Regisseurin beim Erzählen der Geschichte ist überwältigend.“

FFF-Förderpreis Dokumentarfilm für „Chaddr – Unter uns der Fluss“

Den FFF-Förderpreis Dokumentarfilm des FilmFernsehFonds Bayern an bayerische Nachwuchstalente, der ebenfalls mit 5.000 Euro dotiert ist, gewann Minsi Park für „Chaddr – Unter uns der Fluss“. Anke Zindler (PR-Agentin), Holger Recktenwald (mindjazz pictures) und Bernhard Simek (German Films) saßen in der Jury.

Filmstill aus: „Chaddr – Unter uns der Fluss“: Zwei Kinder in einer Schlucht des Himalaya
Von einem extrem gefährlichen Schulweg in der Welt des indischen Himalaya handelt „Chaddr – Unter uns der Fluss“ (© DOK.fest München)

Sie schrieben: Der Film „erzählt von einer Familie in der abgeschiedenen Welt des indischen Himalaya. Darin begleitet ein Vater seine drei Töchter seit 18 Jahren auf dem extrem gefährlichen Fußweg entlang des vereisten Flusses Chaddr zur Schule. Minsu Park zeigt unaufdringlich und fast nebenbei das Große im Kleinen: wie Klimawandel und technologischer Fortschritt die entbehrungsreiche Welt der Familie existentiell bedrohen. Kamera, Schnitt und Musik schaffen kongenial einen ruhigen, unwiderstehlichen Sog, der staunen macht und eine tiefe Empathie für die Protagonist.innen entstehen lässt.“

megaherz Student Award für „Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit“

Der megaherz Student Award ging an Yulia Lokshina für den Film „Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit“. Eine Jury aus Studierenden vergibt den mit 3.000 Euro dotierten Preis, gestiftet von der Filmproduktionsgesellschaft megaherz.

Filmstill aus „Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit“: Mann im Schweinchen-Kostüm
Der Dokumentarfilm „Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit“ zeigt prekäre Arbeitsverhältnisse auf und hinterfragt sie (© DOK.fest München)

Sie begründen ihre Entscheidung wie folgt: „Mutig und ohne Rücksicht auf klassische Erzählbögen, facettenreich und aus unterschiedlichsten Blickwinkeln heraus entfaltet sich dieser Dokumentarfilm. Staunend taucht man ein in einen geformten Kosmos, der in der originellen Zusammenstellung unterschiedlicher Elemente so viel mehr erzählt als nur über konkrete prekäre Arbeitsverhältnisse, das soziale Engagement, dagegen vorzugehen und die Ermutigung, im Theaterunterricht darüber nachzudenken. Der Film macht genau das, was Kino im schönsten Fall leisten kann: Er formt Bilder im Kopf, statt nur auf der Leinwand.“

kinokino Publikumspreis für „The Euphoria of Being“

Den mit 2.000 Euro dotierten kinokino Publikumspreis – gestiftet von BR und 3sat – gewann der Eröffnungsfilm „The Euphoria of Being“ von Réka Szabó. Eine Tanzperformance erzählt die Lebensgeschichte der 90-jährigen Holocaust-Überlebenden Éva Fahidi. Tanz als Therapie und Traumabewältigung. Ein Ansatz, der ebenso berührend ist wie innovativ. 

Filmstill aus „The Euphoria of Being“
Der Eröffnungsfilm „The Euphoria of Being“ erzählt anhand einer Tanzperformance vom Leben der 90-jährigen Holocaust-Überlebenden Éva Fahidi (© DOK.fest München)

Pitch Award vom Haus des Dokumentarfilms für „After The Gods“

Der vom Haus des Dokumentarfilms gestiftete Nachwuchspreis für den besten studentischen Pitch ging in diesem Jahr an Jasmine Alakari für „After The Gods“. Auf unserer Seite dokumentarfilm.info gibt es ausführliche Informationen dazu: Pitch Award 2020 für Jasmine Alakari 

Filmstill aus
In “After The Gods” sucht die elfjährige Taranom, die im Athener Autonomen-Viertel „Exarcheia“ aufwächst, inmitten von Chaos nach gewaltlosen Alternativen (© DOK.fest München)

Video von der Preisverleihung 

Wer die digitale „Award Ceremony“ der Hauptpreise beim DOK.fest München @home verpasst hat, findet sie bei YouTube.  

Positive Festivalbilanz von Daniel Sponsel

Festivalleiter Daniel Sponsel zieht eine äußerst positive Bilanz: „Nicht nur die Zahlen sind überwältigend, sondern auch die Unterstützung unserer Partner und das Feedback unserer Zuschauerinnen und Zuschauer. Es wurde unglaublich positiv aufgenommen, dass wir das Festival trotz der schwierigen Umstände veranstaltet haben. Wir haben auf diesem Weg vielen Menschen die Möglichkeit geben können diese herausragenden Filme zu sehen.“

Die Online-Edition werde das DOK.fest München verändern: Für das nächste Jahr ist wieder ein Festival auf der großen Kino-Leinwand geplant, doch die positiven Erfahrungen dieser Online-Edition wolle man mit in die Zukunft des Festivals mitnehmen, so die Münchner.