Diagonale 2017 vergibt Dokumentarfilmpreise

Bei dem zum 20. Mal im österreichischen Graz ausgerichteten Filmfestival Diagonale ist in zwei Kategorien für Kino- und Fernsehdokumentarfilme den Franz-Grabner-Preis verliehen worden. In der Kategorie für Kinodokumentarfilme setzte sich »Unten« von Djordje Čenić und Hermann Peseckas durch. Preisträger in der Kategorie Fernsehdokumentarfilm ist »Menschen und Mächte – Flucht in die Freiheit«, eine für den ORF produzierte Dokumentation von Andreas Pfeifer und Andreas Novak über den Ungarnaufstand vor 60 Jahren. Der international besetzten Jury gehörte auch Dr. Irene Klünder an, die Geschäftsführerin des Hauses des Dokumentarfilms.

Der Kinodokumentarfilm »Unten« ist eine autobiografische Zeitreise, die Mitte der Siebzigerjahre im jugoslawischen »Gastarbeitermilieu« in Linz beginnt und bis in das kriegszerstörte Heimatdorf des Regisseurs im heutigen Kroatien führt. In teils absurd komischen, teils tragischen Episoden, die von kleinen Triumphen und großen Niederlagen, von Heimweh und Klassengegensätzen erzählen, illustriert Djordje Čenić den Spagat zwischen »oben« und »unten«, der exemplarisch für Generationen von Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern steht.

Die Jury der Diagnoale befand, dass der Film auf interessante Weise vom Fremdsein erzähle und den Versuchen dazuzugehören, von Klassengegensätzen und dem Alltag einer jugoslawischen Arbeiterfamilie in Linz, von der Tragik der Kriege in Ex-Jugoslawien verbunden mit der Familiengeschichte, von politischen und persönlichen Zerrissenheiten. »Die offene und lockere Erzählweise, das scheinbar mühelose Verweben von subjektiv Erlebtem und historischen Fakten, das Aufgreifen und Bewältigen einer komplizierten Thematik, die in dieser Weise noch kaum behandelt wurde und die persönliche Suche und Konfrontation, an der das Publikum teilnehmen darf«, gab laut Jury den Ausschlag für die Entscheidung.

Ebenfalls nominiert waren »Ein Deutsches Leben« von Christian Krönes, Olaf S. Müller, Roland Schrotthofer und Florian Weigensamer sowie »Future Baby« von Maria Arlamovsky. Mit der Bewertung der nominierten Filmproduktionen war eine fünfköpfige Expert/innenjury befasst, bestehend aus Karin Berger (Filmemacherin, AT), Susanne Biermann (Redakteurin Arte, FR), Hans Robert Eisenhauer (Geschäftsführer Ventana Film- und Fernsehproduktion, Berlin, DE), Irene Klünder (Geschäftsführerin Haus des Dokumentarfilms, Europäisches Medienforum Stuttgart, DE) und Paul Pauwels (Direktor EDN – European Documentary Network, Kopenhagen, DK).

Preisträger in der Kategorie Fernsehdokumentarfilm wurde »Menschen und Mächte – Flucht in die Freiheit« von Andreas Pfeifer und Andreas Novak. »In einer Zeit der brutalen Abschottung, einer fragwürdigen, sogenannten ‚Grenzsicherung’ und populistischer Rhetorik ist dieser Fernsehfilm ein Statement gegen die Geschichtsvergessenheit, die sich in der aktuellen Diskussion über das Flüchtlingsthema manifestiert. Sorgfältig ausgewähltes, zum Teil bisher unbekanntes Archivmaterial verstärkt den Eindruck der historischen Rolle, die die Grenze zwischen Ungarn und Österreich als politischer Schnittpunkt im Laufe der jüngeren Geschichte immer wieder innehatte«, lobte die Jury in ihrer Begründung. Nominiert waren auch »Adams Art« von Lenzo Reinhard sowie »Kreuz und Quer – Eine fast unmögliche Freundschaft« von Peter Beringer.

»Der Franz-Grabner-Preis würdigt Dokumentarfilmschaffen mit hellwacher Grundgesinnung und humanistischer Haltung. Eine Auszeichnung als Plädoyer für möglichst diverse Blicke auf diese eine, unsere Welt. Ein Preis, der zurzeit dringlicher ist als je zuvor und dabei im besten Fall den Zeitgeist kritisch hinterfragt«, so die Diagonale-Intendanten Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber. Dotiert sind beide Auszeichnungen mit jeweils 5000 Euro. Das Preisgeld wurde gestiftet von der Familie der ehemaligen ORF-Journalisten Franz Grabner (1955–2015), der Diagonale sowie den Preisstiftern AAFP, Film Austria und ORF.

In Graz finden am Sonntag, 2. April, im Schubertkino 2, Vorführungen der beiden Siegerfilme statt (16 und 17 Uhr).

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Thomas Schneider
„Ich liebe Print, ich liebe Online, ich liebe es, das Beste zwischen beiden Welten zu vereinen“, sagte Thomas Schneider über seine Arbeit. Ab 2009 war er für das HDF im Bereich Redaktion sowie PR/Marketing tätig. 2019 verstarb Schneider überraschend und viel zu früh.
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