Foto: Szene aus »Der NSU-Komplex« © SWR/BR/Dirk Laabs

TV-Tipp 12. April: »Der NSU-Komplex«

Das NSU-Tätertrio Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe steht in dem Dokumentarfilm »Der NSU-Komplex« von Stefan Aust und Dirk Laabs fast nur nebenbei. Vielmehr konzentrieren sich die beiden Filmemacher und Journalisten auf die Wurzeln des braunen Netzwerkes, die sich unter den versprochenen »blühenden Landschaften« bilden konnten. Der SWR zeigt am Mittwochabend diese »Rekonstruktion einer beispiellosen Jagd« im Anschluss an den ersten Teil des fiktionalen NSU-Dreiteilers »Mitten in Deutschland: NSU«. So gut die Inszenierung auch ist: Doku schlägt in diesem Fall Fiktionalisierung um Längen. Einzig was am Ende bleibt ist die Unzufriedenheit, dass auch nach Jahren der Recherche längst noch nicht alles aufgeklärt werden konnte.

Der von Stefan Aust und Dirk Laabs verantwortete Dokumentarfilm basiert auf den Rechercheergebnissen, die beide Autoren schon 2014 in ihrem Buch »Heimatschutz – Der Staat und die Mordserie des NSR« veröffentlichten. Der Untertitel des Filmes verspricht eine »Rekonstruktion einer beispiellosen Jagd« und erinnert im Titel an Austs »Baader-Meinhof-Komplex«, die vor mehr als 30 Jahren erschienene Aufarbeitung der RAF-Ära. Am Ende der 90 Minuten des »NSU-Komplexes« – eine in der Tat hervorragende journalistische Aufarbeitung des versteckten rechten Terrors, in dessen Zentrum das Gespann Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe standen – wird aber klar: dieser Komplex ist komplizierter als vermutet. »Ich habe meine Zweifel«, sind die Schlussworte des Filmes – gesprochen von einem führenden Ermittler, der die NSU-Morde aufklären half. Er zweifelt an, dass alles gesagt und aufgeklärt sei.

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Rechter Terror damals und heute

Neunzig Minuten reichen nicht, um all das aufzuklären, was zu den Morden des NSU führte und was die Täter 13 Jahre lang vor Aufdeckung schützte. Dabei halten die Autoren Aust und Laabs zum bankraubenden und mordenden Trio bewusst Distanz. Es geht ihnen gar nicht um diese drei und sie liefern auch kein Psychogramm der Täter. Vielmehr zeigen sie Ursachen ihrer Radikalisierung und legen die Wurzeln eines braunen Netzwerkes frei, das unter den versprochenen »blühenden Landschaften« entstehen konnte.

Wer oder was brachte Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe in die Lage, reihenweise Banken zu überfallen und zehn Morde zu begehen? Es waren Unterstützer, Mitläufer, Geldgeber und ermittelnde Behörde, die wegschauten und die Szene überwachen sollten. Die Autoren Aust und Laabs haben jahrelang die Verbindungen recherchiert und für ihren Filme viele wichtige Zeugen und Informanten gefunden. Aber am Ende müssen sie vor dem Schweigen manches Involvierten kapitulieren. Auch nach elf Untersuchungsausschüssen und einem jahrelangen Prozess gegen Beate Zschäpe ist das Thema nicht aufgeklärt. Die Täten des Trios auf eine erweiterte Einzeltäterhypothese zu reduzieren ist nach dem diesem Film zumindest unmöglich geworden.

Dokumentarfilm
D 2016, 90 Minuten
Regie: Stefan Aust, Dirk Laabs
Produktion: Aust Media GmbH mit BR, MDR, NDR

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Foto: Szene aus »Der NSU-Komplex« © SWR/BR/Dirk Laabs

 
Veröffentlicht: 12.4.2017
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Thomas Schneider
„Ich liebe Print, ich liebe Online, ich liebe es, das Beste zwischen beiden Welten zu vereinen“, sagte Thomas Schneider über seine Arbeit. Ab 2009 war er für das HDF im Bereich Redaktion sowie PR/Marketing tätig. 2019 verstarb Schneider überraschend und viel zu früh.
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