TV-Tipp: Das »Netz der Lügen« aus zwei Blickwinkeln

Zwei aktuelle Dokumentationen – die erste am Donnerstagabend bei ZDFinfo und am Montag, den 31. Juli, die andere im Ersten – beschäftigen sich mit dem gleichen Thema unter fast identischen Überschriften: »Im Netz der Lügen – Falschmeldungen im Internet« von Mario Sixtus und »Im Netz der Lügen – Der Kampf gegen Fake-News« von Claus Hanischdörfer beschreiben Filterblasen, Fehlinformationen und gezielte Fake-News-Attacken, die durch das Internet zu Gefahren aufgeblasen werden. Unser soziales Zusammenleben im »real life« wird durch solche Lügengeschwüre erschweren und gefährden. Wer beide Filme ansieht, ist bestens informiert. Nur, wer will sich schon informieren, wo er doch schon alles weiß? Und sind das nicht eh alles Lügen?

ZDFinfo, 20.7.17, 18 Uhr: Im Netz der Lügen  – Falschmeldungen im Internet

(anschließend bis 27.7.2017 in der ZDFinfo-Mediathek)
Der Journalist Mario Sixtus analysiert im (populären, aber auf die Dauer ermüdenden) Presenter-Stil die wissenschaftlichen Hintergründe, die es überhaupt erst ermöglichen, dass sich Menschen in Filter- und Wahnehmungsblasen begeben. Darin blenden sie dann scheinbar unliebsame Erkenntisse und Inhalte aus. Fast schon in Schweinsgalopp eilt Sixtus, begleitet von einem 3D-Minimodell seiner selbst und einem stets zum Erklären herangerufenen Zeichentrickmännchen, durch Fachtermini wie »Hostile Media Effect«, »Truth Effect« und »Selective Retention«. Das sind Begriffe, mit denen bis vor kurzem noch Verhaltens- und Kommunikationswissenschaftler unter sich hantierten und die allenfalls mal ein Marketingmensch für eine besonders perfide Werbestrategie bemühte.

Doch in Zeiten von Glaubwürdigkeitsverlusten der klassischen Medien und von Abschottungstendenzen mancher Internetnutzer in ihrem eigenen Gedankensud, müssen auch wir uns mit unseren eigenen Verhaltensmustern beschäftigen. Denn das wird bei den vielen Gesprächen, die Sixtus mit sich und mit Forschern führt, deutlich: Es sind nicht die anderen, die in Filterblasen denken und leben. Wenn, dann tun wir es alle.

Beispiele für Falschmeldungen bringt der Film nur nebenbei – einzig der Amoklauf in einem Münchener Einkaufszentrum wird etwas ausführlicher behandelt. Aber die Wirkweise von Falschnachrichten im Internet interessiert Sixtus weniger als die generelle Anfälligkeit der menschlichen Psyche für Realitätsverdängungen. Handlungsempfehlungen kann der Film am Ende nur in geringem Umfang geben. Jeder solle seine eigene Filterblase etwas durchlässiger gestalten. Ziel erkannt, nur der Weg dahin ist irgendwie nicht sichtbar geworden.

Das Erste, 31.7.17, 23:30 Uhr: Im Netz der Lügen

Für die Reihe »Story im Ersten« hat SWR-Filmemacher Claus Hanischdörfer den »Kampf gegen die Fake-News« zum Thema einer 45-minütigen Dokumentation gemacht. Der erfahrene Filmemacher geht seine Thema aus Sicht eines »ganz normalen« Internetnutzers an, der sich in der Themen- und Nachrichtenflut nicht mehr zurecht findet. Welche Möglichkeiten gibt es überhaupt, echte von falschen Nachrichten zu unterscheiden?

Natürlich ist auch dieser Film sehr schnell bei den Filterblasen angelangt. Dies sind Sinnbilder für die kleineren Netzwerk innerhalb eines weltumspannenden Netzes, in denen immer nur die gleichen und einseitig gefärbten Themen besprochen werden. Lügen und – neudeutsch – Fakes halten sich in solchen Konstrukten am besten. Um das zu veranschaulichen, geht der Autor einen interessanten Weg. Mit einem Professor der Universität Hohenheim und Studierenden des dortigen Instituts für Kommunikationswissenschaft legt er einen Fake-Honigtopf aus. Es wird eine ziemlich abstruse Fake-Nachricht erfunden, die bei Facebook ihr Unwesen treiben soll. Nachdem es den beteiligten Studierenden gelungen ist, Teil eines Netzwerkes mit rechtspopulistischen Inhalten zu werden (das gelingt quasi »über Nacht« und durch Anklicken bestimmter Nachrichten), kann die vorbereitete Nachricht losgelassen werden. Innerhalb kürzester Zeit wird der Fake über 100 Mal geteilt. Die Desinformationskampagne ist »ein voller Erfolg« – und es wird anschaulich, wie das geschehen konnte.

Der Film wählt einige Fakekampagnen aus jüngster Zeit, bei denen anzunehmen ist, dass hier mit böser Absicht Falschinformationen gestreut wurden. Geradezu kriminell ist der Fall, wo eine Gruppe Betender neben einer christlichen Kirche zu urinierenden Moslems    erklärt werden. Das Beweisfoto wurde aus dem Hinterhalt genau so aufgenommen, dass man es mit einer falschen Bildunterschrift als angeblichen Beweis nutzen konnte. Dabei war auch dies alles nur eine Lüge.

Ein Polizeibeamter sagt dazu ganz treffend: »Das ist keine erlaubte Meinungsäußerung mehr, das ist eine Straftat.« Hanischdörfer gelingt es mit seinem Film genau das aufzuzeigen: Fakes und Lügen im Internet sind keine Kinderstreiche. Sie sind kriminell.

Szene aus »Im Netz der Lügen - Der Kampf gegen Fake-News« © SWR Szene aus »Im Netz der Lügen - Der Kampf gegen Fake-News« © SWR

Szenen aus »Im Netz der Lügen – Der Kampf gegen Fake-News« © SWR